Das Motiv des Pianos durchzieht Fleur Jaeggys Werk und schlägt die Brücke zur Musik ihrer Sprache, wie Barbara Villiger Heilig, die wohl versierteste Kennerin ihres Werk, in der Einleitung darlegen wird. In einer vielschichtigen Auseinandersetzung mit ihrer helvetischen Herkunft und Schweizer Autoren wie Robert Walser schildert Fleur Jaeggy die schillernden Erfahrungen in einem Appenzeller Mädchen-Internat im Roman «Die seligen Jahre der Züchtigung» (1989), der bereits zu einem modernen Klassiker avanciert ist: «Die Lektüre dauert vier Stunden», bemerkte der amerikanische Dichter Joseph Brodsky, «die Erinnerung daran das ganze Leben». Eindringlich umkreist Fleur Jaeggy die erotisch aufgeladenen Beziehungen der jungen Frauen zwischen Aggression und Zärtlichkeit. Im Institut werden Mädchen diszipliniert, «bis die Disziplin selbst eine Lust wird». In ihrem Werk gelingt es der Autorin, die existenzielle Zerrissenheit, die Ambivalenz der Liebe und die Ekstasen des Wahns in die kristalline Klarheit einer Sprache zu fassen, deren tiefe Klangfülle dem mystischen Schweigen entsteigt und mit einem untrüglichen Gefühl für Rhythmus verschmilzt. Das wird die Stimme von Sunny Melles unvergesslich vorführen.
Einführung: Barbara Villiger Heilig
Lesung: Sunny Melles
Die Musiker*innen des Tonhalle-Orchesters Irina Pak (Violine) und Amelia Maszonska-Escobar (Violine) spielen aus Luciano Berios «Duetti per due violini»
In Kooperation mit dem Tonhalle-Orchester Zürich