Warum Pinguine gerne zum Himmel schauen
Dystopische Fiktion ist im Moment sehr en vogue. Mit viel Leidenschaft und Kreativität entwerfen junge Autorinnen und Autoren clevere Extrapolationen kritikwürdiger gesellschaftlicher Tendenzen und machen damit gutes Geld. Dabei finden wir die schreckenerregendste Dystopie nicht auf den Bestsellerlisten der Buchhandlungsunternehmen, sondern im Geo-Magazin oder in Naturdokumentationen im Fernsehen: Ich spreche selbstverständlich von der Lebenssituation der Pinguine.
Der Winter ist erwiesenermassen ein gesundheitliches Risiko. Der Mensch verträgt Kälte und Dunkelheit nicht besonders gut. Einsamkeit und Depressionen nehmen zu, ebenso wie Lungenentzündungen und Grippeinfektionen, und viele Obdachlose sterben in der kalten Jahreszeit an Hypothermie. Damit die Vögel nicht an Depressionen erkranken, reisen sie deshalb im Winter in den Süden, während der Mensch in seiner Verlegenheit durch körperliche Nähe und muffige Bäder Wärme sucht.
Nicht so der Pinguin. Pinguine, wie die geographische Verortung ihres Lebensraums schon vermuten lässt, sind masochistische Wesen, die sich nicht nur weigern, im Winter in die Wärme zu ziehen, sondern sich die Möglichkeit zu wandern – ihre Flugfähigkeit – gleich ganz in Abrede stellen. Sie sind deshalb psychisch besonders instabile Tiere und als Folge davon leiden sie an einem verringerten Selbstwertgefühl. In Bezug auf Beziehungen halten sie sich, als Nebeneffekt dieses selbstzerstörerischen Lebensstils, für wenig begehrenswert, was den Grund darstellt für ihre Monogamie.
Es ist aber nicht so, dass die Pinguine nicht davon träumen würden, im Winter in die Wärme zu fliegen. Manchmal überkommt es sie, und sie stellen sich vor, wie es wohl wäre, mit ihren stilsicheren Frackflügelchen über den Ozean zu flattern. Dann stellen sie sich als stolzen Zugvogel vor, der immerzu nach dem Glück strebt, das ihm gefälligst zugesteht.
Und das ist der Grund, warum Pinguine gerne zum Himmel schauen.