Wer wie Tonio Schachingers Lehrerfigur Dolinar einen sprachlichen und literarischen Verfallsprozess diagnostiziert, der spätestens und ganz sicher mit Büchner eingesetzt hat, der*die kommt an diesem Abend nicht auf seine (weltanschaulichen) Kosten. Denn Schachingers 2023 bei Rowohlt erschienener Zweitling «Echtzeitalter» wurde im gleichen Jahr mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnet und widerlegt alle Kulturpessimist*innen: Mit viel Witz und feiner Ironie schildert sein Roman die Internatswelt eines Jugendlichen, der sich vor der autoritären Atmosphäre des Klassenzimmers in das Online-Game «Age of Empires II» flüchtet. Wie Schachinger unterschiedlichste Gegensätze – Jung und Alt, Online-Game und kanonische Literatur – nicht billig gegeneinander ausspielt, sondern feinfühlig zusammenbringt, das zeigt, dass es mit der Literatur auch im 21. Jahrhundert alles andere als bergab geht.

Tonio Schachinger hat Germanistik und Sprachkunst studiert. Für seinen Debütroman «Nicht wie ihr» erhielt er den Förderpreis des Bremer Literaturpreises und stand mit ihm 2019 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Er lebt in Wien.

Mit Unterstützung des Österreichischen Kulturforums Bern.