Dieses Gespräch war besonders bewegend: Der Austausch zwischen Tanja Maljartschuk und Jurko Prochasko zeigte die elementare Rolle der Kultur für das (Über)leben im Krieg, und wie stark, aber auch bedroht, dieses kulturelle Schaffen in der Ukraine ist.
2018 hat Tanja Maljartschuk in Klagenfurt den Ingeborg-Bachmannpreis erhalten. Seither hat sie den Roman «Blauwal der Erinnerung» veröffentlicht, Erzählungen und den brillanten Essayband «Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus» (Kiepenheuer & Witsch 2022). Im Jahr 2023 sagte die ukrainische Autorin dann bei ihrer Eröffnungsrede in Klagenfurt: «Ich betrachte mich [heute] als eine gebrochene Autorin, eine ehemalige Autorin, eine Autorin, die ihr Vertrauen in die Literatur und – schlimmer noch – in die Sprache verloren hat.» Ausgehend von ihrer Klagenfurter Rede haben wir mit Tanja Maljartschuk darüber gesprochen, was der Krieg auch kulturell oder literarisch zum Verschwinden bringt, konkreter: Die Gefahr des literarischen Verstummens von Kulturschaffenden im Krieg, das Misstrauen einer Sprache und Literatur gegenüber, die ihre Kraft und Berechtigung zu verlieren drohen.
Als zweiter Gast war Jurko Prochasko dabei: Er ist Übersetzer aus dem Deutschen, Autor, Herausgeber und eine der wichtigsten intellektuellen Stimmen der Ukraine. Als ausgebildeter Psychoanalytiker kann er zudem einen präzisen und differenzierten Blick auf die vielen Formen des Verstummens werfen. Er ist für das Festival aus Lemberg angereist.
Hier ein Zitat von Jurko Prochasko, der viele Hindernisse überwinden musste, um aus Lviv ans Festival zu reisen: «Menschen, die im Krieg sind, wollen wissen, dass sie Kultur haben. Dass sie Kultur sind. Dass man ihnen diese Kultur nicht wegnehmen kann. […] Dass man noch fähig ist, kreativ zu sein, ist ein Akt, sich seiner selbst zu vergewissern. […] Du lebst noch, weil du noch schaffen kannst.»
Das Gespräch moderierte Sylvia Sasse, sie ist Professorin am Slawischen Seminar der Universität Zürich. Sie richtete den Blick nicht nur auf die Fragen des Verschwindens – sondern auch darauf, was diesem entgegengesetzt werden kann und wie Literatur und Autor*innen jenseits gesellschaftlicher und politischer Fragestellungen eine künstlerische Heimat behaupten können.
Mit freundlicher Unterstützung von Debates on Europe
Die Rede, welche Tanja Maljartschuk am Eröffnungsabend hielt, kann hier nachgelesen werden.